Hundert Jahre.

Zitat aus Antonio Scuratis Meisterwerk 

"M. Der Mann der Vorsehung."/

Die geniale Biografie über Mussolini/2. Band.


"Der Anführer der Unzufriedenen sein. Das ist der Weg. Wenn man nicht am Tisch mit den Herrschern, den Prassern, den Festmahlsherren sitzen kann, dann geht man in die Küchen und hetzt die Küchenjungen auf, die Kellner, denen die Reste zugeworfen werden, die Dienerschaft. Als Benito Mussolini im Jahr 1919 die Kampfbünde gründete, hatte er als Erster gespürt, dass sich im Zeitalter der Massen, welches sich wie das weit geöffnete Tor eines verfallenen alten Hauses vor ihm auftat, eine politische Kraft durchsetzen würde, die mächtiger sein würde als die Hoffnung: die Angst; also hat er sie gepackt und sich zur Macht aufgeschwungen. Damals, im Dämmer des Weltkrieges, hatte er begriffen, dass die Hoffnung, welche die sozialistischen Plätze des neunzehnten Jahrhunderts belebte, auf den kleinbürgerlichen Plätzen des zwanzigsten Jahrhunderts von der Angst hinweggefegt würde. Die kämpferischen Sozialisten waren gegen die Paläste der Macht hinausgezogen, hatten ihren missachteten Bedürfnissen und unerfüllten Erwartungen Luft gemacht und eine lautstarke Forderung gestellt, bis ihre Hoffnung auf ein fortschrittlicheres, besseres, von jeglichen Hindernissen und Ketten befreites Leben endlich erhört wurde. Es waren aufgeheizte, fraglos von Unmut geprägte, am Ende jedoch zuversichtliche und sogar fröhliche Kundgebungen gewesen. In ihren Gesängen und Protesten schwang noch ein inbrünstiges Gebet an die Zukunft mit: Gott der Zukunft, lass das Leben meines Sohnes besser sein als das meinige. Doch mit dem neuen Jahrhundert sollte die Hoffnung der Angst weichen, mit ihr ging Enttäuschung einher, Verzagtheit, Fassungslosigkeit, das Gefühl von Niederlage, Verrat, Herabwürdigung und schließlich Missgunst, Groll, rachsüchtige Wut. Plötzlich gingen nicht mehr nur die Männer und Frauen auf die Straße, die nach historischem und politischem Wandel riefen, sondern auch jene, die sich vor ihm fürchteten, angefangen bei eben der sozialistischen Revolution, auf die man so lang gehofft hatte. Nach dem Großen Krieg hatten Millionen Italiener nicht länger auf Veränderung gehofft und sie als Bedrohung zu empfinden begonnen. Der Gesang der Straßen war in einem Schrei erstickt. In einem Schrei, der nicht mehr die Zukunft anflehte, die Gegenwart endlich abzulösen, sondern ihr gebot, niemals einzutreten. Kein Gebet mehr, sondern ein Fluch."


Fast genau 100 Jahre ist das alles her.

So aktuell wie schon lange nicht.

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