Der Nationalsozialismus als eine Form des Faschismus ist die schrecklichste, grausamste, mörderischste und bestialischeste Form des Antisemitismus in der Geschichte
der Menschheit.
Und doch genügt es nicht, mit dem Antisemitismus den Faschismus umfassend zu beschreiben. Zur Erinnerung sei hier auf die Faschismus-Definition von Robert Paxton
verwiesen:
"Faschismus kann definiert werden als eine Form des politischen Verhaltens, das gekennzeichnet ist durch eine obsessive Beschäftigung mit Niedergang, Demütigung oder Opferrolle einer
Gemeinschaft und durch kompensatorische Kulte der Einheit, Stärke und Reinheit."
Es drängt mich schon lange, auf diese unzulässige verallgemeinernde Gleichsetzung Faschismus = Antisemitismus hinzuweisen. Nicht nur, weil die Urform des Faschismus - die von Mussolini
gegründete Bewegung - in ihren Prinzipien nicht hauptsächlich antisemitisch war (bis 1932 hatte Mussolini sogar einen jüdischen Finanzminister).
Sondern auch, weil es nach wie vor reaktionär/konservative Menschen gibt, die sich ohne jeden Genierer auf Bündnisse mit Faschisten einlassen und versuchen, diese Allianzen durch plakativen
Philosemitismus zu exkulpieren. Der ohnehin in vieler Hinsicht prekär gebildete Ex-Kanzler Kurz hatte in seiner Bildungsarmut die reale Nähe zu Faschisten verharmlost, indem er ein besonders
amikales Verhältnis zur israelischen Kultusgemeinde pflegte und den israelischen Premierminister als seinen engen Ratgeber schätzte. Auch heute noch wird er deswegen von der FPÖ nahestehenden
Juden (das ist leider kein Widerspruch in sich) gewürdigt.
Auch Altkanzler Schüssel hatte keine Probleme, sich mit der unverkennbar faschistoiden FPÖ unter Jörg Haider anzufreunden und auch er versuchte, diesen typisch konservativen Sündenfall
durch die Restitutionsgesetze zu relativieren.
Jetzt kommt bei vielen der unvermeidliche Hinweis auf Kreiskys widerliche Nähe zu Friedrich Peter, der als Mitglied der Waffen-SS einer Brigade angehörte, die hinter der Ostfront Massaker
an der jüdischen Zivilbevölkerung anrichtete. Kreisky hatte sich für die Duldung seines ersten Minderheitskabinetts bei der FPÖ mit einem minderheitenfreundlicheren Wahlrecht bedankt. Davon haben
später auch das Liberale Forum, die Grünen, die Neos, Peter Pilz und Frank Stronach profitiert...
So seltsam das heute klingen mag: Der Ex-Nazi Peter war als Politiker in der Zweiten Republik eher ein Vertreter des kleinen liberalen Flügels der FPÖ. (Und ein vehementer Kritiker
Haiders). So wie Gustav Zeilinger oder Wilfried Gredler. Und nicht wie ewig gestrige Schreckgespenster vom Schlage eines Otto Scrinci oder Alexander Götz. Oder eben Jörg Haider, der sich in Wien
an liberale Zirkel anbiederte und in Kärnten stramm zum Ulrichsberg-Treffen pilgerte.
Als die von Kreisky eingefädelte kleine Koalition mit der vom damals liberalen Norbert Steger geführten FPÖ wegen des Haider-Putsches gegen Steger platzte, war das der Beginn der
Vranitzky-Doktrin, die der SPÖ eine Koalition mit der FPÖ auf Bundesebene untersagte.
(Steger hat es sich aus opportunistischen Gründen mit der seit Haider unverhohlen faschistischen FPÖ gut gerichtet...)
Die in der Geschichte Österreichs gewissenlosen Umfaller in Richtung Faschismus waren und sind die Christlich-Sozialen. Ob nun in der Ersten Republik mit dem Arbeitermörder und
Demokratie-Zerstörer Dollfuß oder in der Zweiten Republik - durch Regierungsbeteiligung der offen faschistisch agierenden FPÖ - mit Schüssel und später durch seinen Schüler Kurz.
In allen Fällen angetrieben durch einen tiefsitzenden Sozialistenhass und nicht verhindert von einer strategisch/taktisch blanken SPÖ.
Das scheint mir das innerste Problem des österreichischen Umgangs mit dem Faschismus zu sein. Die chronisch-notorische Immunschwäche der Christlich-Sozialen gegen den Faschismus (kaschiert
durch mehr oder weniger plakativen Philosemitismus) und die Unfähigkeit der Linken, wirksame Konzepte und Argumente gegen diese politische Malaria zu entwickeln.
Dass nach 1945 viele Ex-Nazis auch eine neue politische Heimat bei den Sozialdemokraten suchten und fanden, schwächt diese These nicht. Denn immerhin war es der ganz besondere Caspar Einem,
der als BSA-Vorsitzender in den späten 80er-Jahren dieses beschämende Kapitel der SPÖ wissenschaftlich aufarbeiten ließ, während das Bildnis von Dollfuß ungerührt weiter in den Klubräumen
der ÖVP und ihr nahestehender Organisationen hing und die ÖVP bis heute ihre austrofaschistische Vergangenheit nicht verarbeitet hat.
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Interessierter Wiener (Dienstag, 07 Februar 2023 16:33)
Woher kommt eigentlich dieser tiefsitzende Sozialistenhass?