Menschenbild.

Seit einigen Jahren - ganz besonders seit der Regierungspräsenz der "türkisen" (vormals "christlich-sozialen") ÖVP - beschäftigt mich der Gedanke, dass es ganz entscheidend auf das Menschenbild einer Partei ankommt, wenn der wählende Mensch in der Wahlkabine steht.


Denn da werden die Unterschiede schnell klar.

Die Bruchlinien gehen entlang von Fragen, ob und wie es einen Unterschied zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit geben soll. Oder ob und wie es einen Unterschied zwischen struktureller Förderung und punktuellen Almosen gibt. Oder ob und wie darauf reagiert werden soll, dass es - wie in jedem System - Trittbrettfahrer gibt oder es ein generelles Misstrauen gegenüber allen geben muss, die Unterstützung bekommen. 


Und ich frage mich, mit welchem inneren Säuregehalt ein türkiser Mensch überlebensfähg ist, der systematisch auf die Schwächeren eintritt und das Faustrecht der vom Schicksal Begünstigten praktiziert.


Grade eben hat wieder einmal der türkise Minister für Arbeit, Soziales und Wirtschaft - vom inneren Widerspruch seiner Ämterkumulation nicht angekränkelt und intellektuell frei vom historischen austrofaschistischen Ballast der Zusammenlegung dieser Ministerien - gefordert, dass Teilzeitbeschäftigten weniger aus dem Sozialsystem zustehen sollte, als Vollzeitbeschäftigten.

 

Das ist schon ein ordentlicher Hohn.


Einerseits wird seine Partei nicht müde, ein reaktionäres Frauenbild des Daheimbleibens und Kinder-Hegens zu propagieren, das per se höchstens Teilzeitarbeit zulässt und außerdem durch die notorische ideologische Verhinderung von Ganztages-Betreuungen für Kinder noch weiter einbetoniert werden soll.

Und andererseits werden genau diese Frauen - meistens sind es Frauen - in gewohnt christlicher Schuld-Fixierung auch noch dafür bestraft, dass sie ihre Karrieren und sozialen Absicherungen gefährden.


Dieses Scheitel-Knien des 21. Jahrhunderts bleibt als gesellschaftliches Züchtungsinstrument genau diesen Zynikern und Vorgestrigen vorbehalten, die noch jede einzelne Verbesserung der Situation von Familien (im Sinne von fairen und gleichen Chancen für alle) torpediert, verzögert und verhindert haben. 


Und es bleibt rätselhaft, wie lange dieser elende Mechanismus noch funktionieren wird, der die Opfer zu den Wählern ihrer eigenen Peiniger macht. 

Hauptsache, es gibt noch jemanden unterhalb in der gesellschaftlichen Hackordnung, auf den man noch hintreten kann.

Dieser Unterschied im Menschenbild sollte klargestellt und in Erinnerung behalten werden.  

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