Gerechtigkeit ist für Immanuel Kant ein unverzichtbarer Wert, „denn wenn die Gerechtigkeit untergeht, so hat es keinen Werth mehr, daß Menschen auf Erden leben“. Er ersetzte den Gedanken des Naturrechts durch ein Vernunftrecht. Ein Naturrecht als überpositives Recht, zum Beispiel ein göttliches Recht, kann der Mensch nicht erkennen. Der Mensch ist mit den Mitteln der Vernunft für jede Erkenntnis auf empirische Anschauungen, auf seine Sinne, angewiesen.
Ihm bleibt als Faktum nur die praktische Vernunft, die die theoretisch nicht zu entscheidende Frage,
ob es eine Freiheit gibt, so beantwortet, dass es die Freiheit gibt.
Aus dem Gebot der praktischen Vernunft, die Freiheit des Menschen als regulative Idee anzunehmen, folgerte Kant die Autonomie des Menschen. Die Selbstbestimmung des Menschen macht
ihn zum grundlegenden Zweck seines Handelns. Hiergegen zu verstoßen, verbietet der kategorische Imperativ(Menschenrechtsformel):
„Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“
Der Mensch ist aus seiner Vernunft heraus verpflichtet, die Persönlichkeit und in ihr die Würde des Menschen zu achten. Dies gilt gegenüber jedem Menschen und ist somit ein Gebot der
Gleichheit. Die Freiheit des Menschen ist nicht nur eine innere Freiheit, in der der Mensch gegenüber seiner Vernunft sich selbst verantwortlich ist und hieraus die (innere) Pflicht zur
Sittlichkeit hat, sondern sie gilt auch im äußeren Verhältnis der Menschen zueinander.
Als Instrument der praktischen Umsetzung der Gerechtigkeit betrachtete Kant das Recht, in dem das Prinzip der Freiheit durch eine wechselseitige Bindung gewährleistet wird. Hierzu
formulierte er den „Kategorischen Rechtsimperativ“.
„Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden
kann.“ Die Freiheit des Einzelnen und seine Autonomie wird zwar durch das Recht gewährleistet; aber durch die für alle geltende Bindung des Rechts wird die Freiheit auch beschränkt. Die vom
Recht gewährleisteten Handlungsfreiheiten sind also wechselbezüglich: Die Freiheiten eines jeden finden ihre Grenzen an den Freiheiten anderer. Das Recht insgesamt ist ein System vernünftiger
Ordnung der Freiheit. Diese Bestimmung der (iuridischen) Gerechtigkeit ist rein formal. Doch hat die Freiheit nicht nur formale, sondern auch materielle Komponenten und erfordert auch reale
Entfaltungsmöglichkeiten. Für die materiale Gerechtigkeit bedarf es nach Kant der empirischen Erfahrung. Nach Fichte (der hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit der Freiheiten mit Kant
übereinstimmt), müsse jedem die Chance geboten werden, durch persönliche Leistung etwas zu erwerben, und es solle „nur an ihm selber liegen, wenn einer unangenehmer lebt“.
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