Von Thomas Hobbes wurde eine neue Sichtweise auf die Frage der Gerechtigkeit eingebracht.
Hobbes löste sich von der Vorstellung einer von Gott gegebenen Ordnung und betrachtete in einem Gedankenmodell den Menschen in einem (fiktiven) Naturzustand. In diesem gibt es weder Eigentum noch Gerechtigkeit oder eine gesetzgebende Obrigkeit mit der Möglichkeit des Zwanges.
Der Mensch ist des Menschen Wolf (Homo homini lupus est, De Cive: Widmung).
Es findet ein Krieg aller gegen alle statt (Bellum omnium contra omnes, Leviathan)
Das einzige natürliche Recht (ius naturale) des Menschen ist das auf Selbsterhaltung. Er ist sich selbst sein eigener Richter, der sich an seinen
eigenen Zwecken orientiert (De Cive, 9). Hierdurch gerät er notwendig in Konflikt mit anderen. Aus diesem Zustand der Angst kann sich der Mensch nur durch
vernünftige Klugheit (recta ratio) befreien, die ihn dazu bringt, natürlichen Geboten (leges naturae) zu folgen. Diese
sind:
Suche nach dem Frieden
Bereitschaft zugunsten des Friedens das eigene natürliche Recht einzuschränken
Einhaltung von Verträgen
Dankbarkeit und Entgegenkommen statt Rache und Nachtragen
Der eigene vernünftige Wille fordert die Anerkennung einer Herrschaft, die den Frieden auch mit Zwangsgewalt durchsetzt. Als Konsequenz wird das natürliche Recht im Wege
eines Gesellschaftsvertrags – eines zeittypischen „Gedankenexperiments zu legitimatorischen Zwecken“ – auf einen Souverän übertragen.
„Aus dem Gesetz der Natur, das uns verpflichtet, auf einen anderen solche Rechte zu übertragen, deren Beibehaltung den Frieden der Menschheit verhindert, folgt ein drittes, nämlich:
‚Abgeschlossene Verträge sind zu halten.’“ (Leviathan, 15)
Die Konsequenz dieser Überlegungen ist ein absoluter Rechtspositivismus. Durch die unwiderrufliche Übertragung des natürlichen Rechtes auf den Staat ist der Mensch uneingeschränkt an
die Einhaltung bestehender Gesetze gebunden. Andererseits entsteht kein Unrecht, das nicht durch einen Gesetzesverstoß oder einen Vertragsbruch begründet ist.
Bei Hobbes ist der Gesellschaftsvertrag gedanklich so konstruiert, dass jeder seine Freiheitsrechte an den Staat abtritt. Hierdurch wird der Staat zu nichts verpflichtet, da dieser nicht
unmittelbar am Vertrag beteiligt ist. Der Staat kann selbst kein Unrecht begehen, da er die uneingeschränkte Macht der Rechtsetzung hat. Der Staat bzw. der Inhaber der Macht ist sein
eigener Souverän. Hobbes legitimierte damit den absoluten Herrscher, dem die Bürger und selbst die Kirche uneingeschränkt unterworfen sind. Diese Sicht wird verständlich vor dem Hintergrund, dass
Hobbes sich im englischen Bürgerkrieg (1642–1649) auf die Seite der Monarchisten stellte. De Civeentstand 1642 und
der Leviathan wurde 1651 während der Herrschaft Oliver Cromwellsveröffentlicht.
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