Wieder einmal bin ich bei den sogenannten Social Media (SM) zu einer gesättigten Lösung geworden. Hab ich mir aus dem Chemie-Unterricht gemerkt: Eine Lösung, die nichts mehr auflösen
kann.
Eh auch interessant, dass die häufig verwendete Abkürzung für Social Media - SM - auch für etwas Anderes steht, das sehr ähnliche Wirkprinzipien hat.
Und wieder einmal beschließe ich, mich aus dem Facebook-Zirkus zu entfernen, indem ich mich zu den Zuschauern setze und die Manege meide. Und meine über alles geliebte Frau lächelt weise,
weil sie diesen Zyklus schon kennt und "weiß", dass die Halbwertszeit dieses Exils überschaubar lange ist. Mal sehen...
Dieses Mal hab ich "Erkenntnisse" gewonnen, die mir in dieser Form neu begegnen.
Sie sind nicht sehr schmeichelhaft für mich, aber vielleicht genau deswegen nützlicher und nachhaltiger, um mich vor dem Rückfall ins Gewohnte zu schützen.
Facebook triggert meine Eitelkeit auf besonders hinterhältige Weise. Ich habe feststellen dürfen, dass es eine durchaus große Zahl von Menschen gibt, die meine Texte lesen und natürlich hat
mich das gefreut. Sehr sogar.
Ich habe mir den Luxus geleistet, in regelmäßigen Abständen meine "Freundesliste" zu durchforsten und jene, die auch nur anscheinend den Eindruck erweckten, anfällig für
"Rechts"/Intoleranz zu sein, zu defrienden oder zu blockieren.
Auf diese Weise ist es mir gelungen, über einen langen Zeitraum eine ziemlich "saubere" Blase zu generieren. Die Versuchung, aus dieser Blase Zeichen der Zuneigung zu ziehen, ist für den
Narzissten, der in jedem von uns wohnt, ständig präsent. Ebenso wie die Enttäuschung, wenn ein Text, der mir sehr wichtig war, kaum Resonanz erzeugte. Mit dieser "Sucht" umzugehen, war/ist nicht
immer easy - aber wenigstens ist sie mir bewusst und das ist ja schon einmal die halbe Miete.
Irgendwie witzig: Vor kurzem habe ich aus meiner Studentenzeit berichtet und von einem Professor, der uns in einem Proseminar fragte: "Wer schützt uns vor unseren Freunden?" Jetzt ist diese
Frage in der "splendid isolation" meiner streng sortierten Facebook-Blase wieder virulent geworden.
Ab und zu fällt mir auf, dass Menschen, die ich schon sehr lange zu kennen glaube, nicht (mehr) in der Lage sind, die Essenz meines ganz beiläufigen Posts zu dechiffrieren und dann muss ich
mich sehr bemühen, sowohl meinen Frust über diese Lücke im Griff zu haben, als auch nicht zu möglicherweise langen Klarstellungen zu greifen.
Ab und zu mischt sich jemand aus meiner Nähe in die Kommentare zu einem meiner Posts ein und maßregelt einen meiner kommentierenden Freunde, obwohl die sich einmischende Person diesen
Freund gar nicht kennt. Das empfinde ich als ungehörigen Übergriff und als Hausfriedensbruch in meinem elektronischen Wohnzimmer.
Ab und zu schreibe ich Texte über meine Familie - insbesondere über meine (schwierigen) Eltern. Und dann ruft mich meine Nichte an und beschwert sich, was ich über ihren Opi schreibe, den
sie nie kennenlernte, weil er vier Jahre vor ihrer Geburt gestorben ist. Das finde ich dann sehr anstrengend.
Ab und zu reagiert jemand auf meine durchaus häufigen "politischen" Absonderungen und unterstellt mir eigene Karriereabsichten in der Politik. Das erschreckt mich dann, denn das ist wohl
das Allerletztesteeee, was mir vorschwebt.
Und dann sind da noch die sich schleichend vermehrenden "Impulse" der Wokizei, die sich ab und zu auch an mir abarbeiten und mir Muster und Haltungen zuschreiben, gegen die ich seit ich
gradeaus denken kann, mit Vehemenz auftrete.
Es fühlt sich seltsam an, wenn grade Menschen, die es besser wissen müssten oder mich besser kennen sollten, ihr Recht auf Missverständnis oder Eigentümlichkeit an mir abarbeiten und ich
aufgrund meiner strengen Toleranzgebote diese Allüren entweder so stehen lasse oder dem Impuls, für robuste Klarstellungen zu sorgen, aus Zeit- oder Kraftmangel nicht nachgebe.
Als ich vor mehr als 10 Jahren anfing, Texte auf Facebook zu schreiben, habe ich die unbekümmerte Leichtigkeit des Settings sehr genossen. Das ist sowohl Facebook, als auch mir weitgehend
abhanden gekommen.
Ich bin es mir selbst schuldig, die Ursache des Unbehagens zuerst bei mir zu suchen.
Und es ist unübersehbar, dass ich mit den veränderten Umständen nicht zurechtkomme.
Weil ich mich nicht gut genug abgrenzen kann. Weil ich mich entweder über- oder unterschätze, um eine resolute Gegenposition zum vermeintlichen Mainstream einzunehmen. Und weil ich einfach
besser auf meinen Ressourcenhaushalt aufpassen will, der mir klare Signale sendet, dass es wahrlich Wichtigeres gibt, als meine Kräfte jemandem zu widmen, der mir nicht so nahe treten
sollte.
Im Augenblick empfinde ich eine wohltuende Leere, die von etwas Neuem gefüllt werden möchte. Das werde ich auch tun. Im Dezember gibt es eine Zwangspause und da werde ich an meinem Büchlein
mit dem Arbeitstitel "Klartext" weiterschreiben. Es soll eine Streitschrift für die Aufklärung werden.
Darauf freue ich mich schon. Sehr.
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Heidi Pohl (Dienstag, 31 Oktober 2023 16:41)
Vielen herzlichen Dank❤️❤️
Evangelos Georg Paulusberger (Dienstag, 31 Oktober 2023 19:44)
Apropos Aufklärung.
Vielleicht noch nicht bekannt
bzw. auch kein Versuch
Eulen nach Athen zu tragen.
Aber wenn noch nicht bekannt,
dann könnte ich mir vorstellen,
dass Du dieses Buch mit Gewinn
lesen würdest.
LG Georg
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Valent Roman (Mittwoch, 08 November 2023 22:16)
Vielen Dank!