Aus der Not, mit meinem üblichen Methodenschatz am Ende zu sein und einen gecoachten Konflikt-Dialog nicht an ein produktives Ende moderiert zu haben, ist vor ein paar Jahren ein Tool entstanden, das ich seither gerne einsetze und sich quasi „hintennach“ als durchaus dem Geist der Aufklärung entsprechend erwies:
Der Schattensprung.
Wenn sich zwei Menschen durch den Mangel an Vernunft und Einfühlungsvermögen sehr stark einander entfremdet haben, bleibt manchmal nur noch die Notbremse eines drastischen Instruments, das die beiden Konfliktpartner wieder einander näher bringt. Ich „verlange“ in solchen Szenarien, dass beide Personen sich überlegen, welches „Geschenk“ sie der jeweils anderen machen können. Wobei die beschenkte Person durchaus wissen und erkennen sollte, dass der Beitrag des anderen Menschen diesem wirklich schwerfällt. Also so etwas wie ein gerade noch verkraftbares Opfer, das beide einander spenden.
Der krampflösende erste Effekt bei dieser Methode besteht oft darin, dass sich die beiden Konflikt-Partner oft zum ersten Mal an diesem Tag einig sind: Beide sind gleichermaßen sauer auf mich, weil ich mir erdreiste, so einen Aderlass von ihnen zu verlangen.
Die vielfach erwiesene Wirksamkeit dieses Tools macht diesen Zorn auf mich meist gut aushaltbar. Nachdem das erste gemeinsame Grummeln überwunden ist, kommen dann meistens wesentliche Bewegungen in Gang, indem beide Partner tatsächlich Zugeständnisse/Angebote machen, die dem/der Empfänger*in großen Respekt abnötigen und diese/n zu einer gleichwertigen „Spende“ motivieren.
Sehr oft handelt es sich bei diesen Spenden um eine endlich praktizierte kommunikative wechselseitige Transparenz und/oder um eine real erlebbare Haltung, die zum höchsten Gut im Zwischenmenschlichen überhaupt zählt: Loyalität.
Ich möchte mich hier auf keinen Fall dem Vorwurf der Argumentations-Klitterung aussetzen und alles und jedes mit dem Stempel der Aufklärung zwangsbeglücken, was de facto „nur“ einem einfach anständigen Verhalten entspricht.
Und doch lässt sich der Schattensprung ohne ein Menschenbild, das von Vertrauen, Klarheit und Gerechtigkeit durchdrungen ist, nicht erfolgreich vollziehen.
Selbstverständlich begleitet von einer Grundausstattung an Humanismus und auch von Toleranz, weil ohne den Verdacht, der andere Mensch könnte recht haben und von grundsätzlich guten Absichten geleitet werden, funktioniert eine faire Konfliktlösung nicht.
Denn hier – wie bei allen anderen Mechanismen des Konflikt-Managements auch – bewahrheitet sich der eherne Grundsatz: Konflikte werden nicht gewonnen oder verloren, sondern behandelt. Denn das Ziel gelungenen Konflikt-Managements ist nicht Sieg oder Niederlage, sondern die Handlungsfähigkeit aller Beteiligten am Ende der Auseinandersetzung.
Wir müssen nicht Taufpatenschaften und Trauzeugenrollen übernehmen oder am Wochenende miteinander grillen. Alles, was wir brauchen, ist ein verletzungsfreier Alltag. Und dafür brauche ich – ständig! – das Messinstrument einer Frage, die genauso banal ist, wie sie wirkt: Habe ich den Konflikt oder hat der Konflikt mich?
Solange ich entscheiden kann, wie sich der Konflikt entwickelt und wie ich mich in diesem Szenario bewegen kann, habe ich den Konflikt. Ab dem Moment, wo ich ganz sicher bin, den „anderen“ durchschaut zu haben und wo ich meine (hoffentlich nur argumentativen!) Geschütze auf die Position der anderen Partei richte, riskiere ich einen lebensgefährlichen Tunnelblick und im schlimmsten Fall „friendly fire“ mit der Vernichtung meiner eigenen Positionen.
Die kalenderspruch-verdächtige Erkenntnis des Volksmunds „1 mal drüber schlafen“ ist Goldes wert und sollte wenn möglich resolut praktiziert werden, um am nächsten Tag zu prüfen, ob der Stein des Anstoßes zum Sandkorn zerfallen ist oder zur Lawine angewachsen.
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