Eine der schmerzhaftesten Enttäuschungen meines bisherigen Lebens ist die bittere Erkenntnis, dass
"die Menschen" nicht nur nix aus der Geschichte lernen, sondern regelrecht regredieren.
Das ist nicht nur peinlich, sondern viel mehr ein Skandal gegenüber jenen Generationen, die all jene Fortschritte, mit denen "wir" grade so fahrlässig herumschludern, unter Lebensgefahr erkämpft haben. So oft unter Verlust der eigenen Gesundheit oder durch Bezahlung des höchsten denkbaren Preises.
Freunde, die sich tapfer als Lehrende schlagen, erzählen mir von erschreckenden Bildungslücken bei Student*innen, die frisch von der Matura kommend die Basics der Allgemeinbildung vermissen lassen.
Genauso sinken zugleich die Standards von jenen, die dazu berufen wären, die nächste Generationen in die nachfolgenden Positionen zu heben. Selbst bei eklatantesten charakterlichen Defiziten muss sich die "Öffentlichkeit" mit zurechtziselierten argumentativen Pirouetten abplagen, was man nun in welchem Kontext zu lesen hat. Anstatt einfach zu sagen: Die betreffende Person hat einfach einen gewaltigen Poscher und sollte therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen.
"Wir" haben keine funktionierende reflexartige Abwehr gegen den Faschismus. Falls es die jemals wirklich gegeben hat. Aber was definitiv nicht mehr verfügbar ist, ist die Unterkante journalistischen Handwerks. Wenn irgendsoein faschistischer Fetzenschädel vor sich hin lügt, dass die Balken krachen, fragt niemand mehr nach:
Woher haben Sie diese angeblichen Fakten, wo kann man das nachlesen, was sind Ihre Quellen?
Statt dessen wird eine unerträgliche "false balance" praktiziert, die JEDEM noch so abenteuerlichen Schwachsinn die gleiche Präsenz zusichert, wie sie mehrfach abgesicherter wissenschaftlicher Evidenz zusteht.
Aus meiner Beobachtung ist das nicht einmal eine falsch verstandene Äquidistanz, sondern erschreckend banal ein vorauseilender Gehorsam gegenüber all jenen, die eventuell bei Verfügbarkeit entsprechender Machtpositionen den eigenen Job massakrieren könnten.
Es ergibt eh schon keinen Sinn mehr, darüber zu räsonieren, dass wir international auf einen Abgrund zupreschen, dessen Kante wir hier nicht vermeiden können, weil andere anderswo offensichtlich durchknallen. USA-Wahlergebnisse, ungarischer Irrsinn, britischer Antisemitismus, deutscher Rabiat-Faschismus, niederländischer Alltagsfaschismus usw. ist von uns nicht beeinflussbar, auch wenn wir massiv davon betroffen sind.
Wenn es innerhalb der EU eine Faschisten-Gruppe geben kann, die sich "Patrioten in der EU" nennt, sind schon so viele Sicherungen durchgebrannt, dass man gar nimmer weiß, wo an welchem Kopf man sich greifen soll. DAS sind die Leute, deren Mentalitäten den Kontinent und die Welt schon zwei Mal angezündet haben. Und niemand bringt diese Pyromanen zur Strecke.
Woran liegt es bloß, dass Armutschkerln wie Kickl nicht mit faulen Eiern von den Mikrofonen vertrieben werden? Dass Christlich-Soziale schon wieder nicht wissen, welchen Steigbügel sie nun halten sollen und lieber in den Rossknödel der Faschisten steigen, als auf das Schlachtroß der Demokratie? Was ist mit der Sozialdemokratie los, die geschichtsvergessen und ignorant gegenüber dem eigenen Blutzoll sich selbst zerfleischt? Warum kommt jemand in Österreich auf die Idee, als Gruppe GAZA für den Nationalrat zu kandidieren, ohne gleich einmal eine verbale Gnackwatschen zu kassieren für diese unverschämte Mogelpackung des Antisemitismus?
WARUM ist das Wertvollste, das wir haben - unsere Demokratie - so unfassbar widerlich abhängig von den Zufällen, mit denen sich politische Arschlöcher mittels eigenen Fehlverhaltens am Ende doch noch die eigenen Haxn ausreißen?
Am Ende bleibt einem nur noch der Rekurs auf den alten Karl Kraus, der so unverwechselbar österreichisch formulierte:
"Ich bin der Vogel, den sein Nest beschmutzt."
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