Oder: Weltschmerz 2024
„Weltschmerz“ ist ein vom deutschen Schriftsteller Jean Paul (21. März 1763 bis 14. November 1825) geprägtes Wort.
Als Weltschmerz wird ein Gefühl der Trauer und der schmerzhaften Melancholie im Angesicht der Unzulänglichkeiten der Welt verstanden.
Die aktuellen Unzulänglichkeiten, Fehler und Missstände der Welt werden dabei mit dem verglichen, wie die Welt in einem idealen Zustand aussehen könnte.
Schon lange habe ich nach dem passenden Wort gesucht, das meine schwer zu ertragende Mischung aus Zorn und Verzweiflung auf den Punkt bringt.
Und frei von jeder Romantik:
Bei "Weltschmerz" bin ich fündig geworden.
Und heute haben meine wunderbare Frau und ich uns den Film "Führer und Verführer" angesehen.
Wir waren ehrlich und wahrhaftig die einzigen beiden Zuschauer in einem grandios gemachten Meisterwerk über Dr. Joseph Goebbels,
den Propagandisten des Teufels.
2 (in Worten: zwei) Menschen haben sich heute den Film im Kino angesehen. Und beide sind wir bis in die Knochen durchgerüttelt.
Ich habe mir selbst auferlegt, diejenigen, die heute inhaltliche Anleihen bei den Nazis nehmen, NICHT auch Nazis zu nennen, sondern Faschisten. Weil die Nazi-Keule nicht trifft. Weil die Maschinisten der Menschenverachtung und -Verführung mit großer Wahrscheinlichkeit zwar welche sind, aber sofort und reflexartig ausbüchsen, weil SIE ja keinen einzigen Juden ermordet haben, keinen einzigen Schuss abgefeuert und keine Sekunde lang Krieg führen.
Dass sie das mit ihrem Antisemitismus und ihrer Xenophobie real trotzdem tun, tut nichts zur Sache.
Ihre Parteigänger und fanatischen Fans ticken ja ganz genau so.
Und es ist rechtlich höchst problematisch, jemanden, der Kanzler werden möchte, mit Joseph Goebbels zu vergleichen, auch wenn die Versuchung, dies evidenzbasiert zu tun, ganz besonders groß ist.
Es mögen statt dessen ein paar historische Hinweise genügen:
● Die FPÖ war schon seit den 60er-Jahren für einen Beitritt Österreichs in die EU. Man könnte fast sagen, sie war die erste Partei, die diesen Gedanken auch am längsten propagiert hat. Als - spät aber doch - sogar die SPÖ auf den richtigen Zug aufgesprungen ist, "musste" die FPÖ einen radikalen Schwenk vollziehen, denn mit damals 6-8 Prozent Wählerstimmen wäre sie im Chor der Befürworter untergegangen.
● Die FPÖ war historisch - auch wegen der hohen Anzahl von Ärzten, Apothekern, Anwälten und anderen Akademikern - immer eine Wissenschafts-affine Partei und dementsprechend für Impfpflichten.
Als in der Pandemie ein nationaler Schulterschluss gesucht wurde, fiel sie zuerst in einen alten Vernunfts-Reflex und propagierte die Impfpflicht und den ersten Lockdown. Aber auch hier wäre sie im Chor des vernünftigen Mainstreams aufgelöst worden und schon war der Weg frei zum Schwurbeln und zum Ivermectin.
● Die FPÖ war nie, nie, nie eine Partei der einfachen arbeitenden Menschen, sondern der Arbeitgeber. Aber auch damit war und ist kein Blumentopf zu gewinnen, wie die diversen liberalen Partei-Versuche schlagend beweisen. Also trat und tritt die FPÖ als die Erbin der Enterbten auf ohne sich daran gehindert zu fühlen, serienweise Gesetze zu beschließen, die weit in die Rechte der Arbeitnehmenden verschlechternd eingreifen.
● Die FPÖ und ihr Obmann haben große Schwierigkeiten, sich in die Lage eines Flüchtlings zu versetzen und möchte diese Menschen, die sie nicht für solche hält, an wenigen Orten in Österreich "konzentrieren".
Viele dieser Vokabel kennt man auch aus einer Zeit, die 90 Jahre zurückliegt. Propagiert von jemandem, mit dem es rechtlich problematisch ist, den aktuellen Parteiobmann zu vergleichen.
Weil das alles so schwierig ist, überkommt jemanden wie mich ab und zu der Weltschmerz.
Aber in einem bleibe ich fest:
Wer Faschisten wählt, ist selbst ein Faschist und verantwortlich für das, was Faschisten tun, wenn sie gewählt werden.
Und: Bitte schaut Euch den Film "Führer und Verführer" an. Denn niemand sollte ohne diesen Film gesehen zu haben, am 29. September eine Wahlkabine betreten.
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Andreas (Donnerstag, 01 August 2024 06:03)
Und wer mit Faschisten koaliert? Ist der dann auch ein Faschist? Und nicht nur ein Opportunist?
Eva (Freitag, 02 August 2024 20:24)
Danke Hannes - du: solltest noch viel mehr Breitenwirksamkeit bekommen. - Ich : werde ins Kino gehen. Bb e