Vater-(Un)Glück

Der von mir in höchstem Maß geschätzte und bewunderte Dr. Christopher Rauen - er ist DIE Instanz für Wirtschafts-Coaching im deutschsprachigen Raum - postet diese Frage auf LinkedIn. 

Und quirlt damit einen Bodensatz bei mir auf, den ich seit mehreren Wochen brodeln spüre und nun versuche, in Worte zu fassen.


Ganz klar: Meine Antwort auf Rauens Frage ist NEIN. Nein, es wäre nicht OK. Nicht nur wäre, sondern ganz konkret "war". Zwei meiner drei Kinder haben ihre Schulausbildungen abgebrochen und sind (trotzdem) glückliche und erfolgreiche Menschen geworden. 

Aber sie haben beide enorm hohe Preise für ihre Erfolge gezahlt und ich war bei beiden todunglücklich und auch zornig, als sie ihre Schulausbildungen vor der Zeit abbrechen oder ganz knapp vor dem Diplom die letzten Meter nicht gehen wollten. 

Weil ich wusste, was die Konsequenzen sein werden. Die - und in diesen Fällen hasste ich es noch mehr als sonst, im Nachhinein Recht zu haben - unglaublich anstrengend, schmerzhaft und zum Teil sogar für die Betroffenen erschreckend entwürdigend waren. 


Als Coach bin ich es gewöhnt, bei Schieflagen in meinem Leben zuerst einmal und reflexartig die Ursache(n) bei mir selbst zu suchen, weil ich mir keinen Opferausweis ausstellen möchte. 

Und natürlich wurde ich fündig.

Mein elementarer Schwachpunkt in der Begleitung meiner Kinder war, ihnen zwar immer wieder klarzumachen, dass sie machen und werden könnten, was sie wollen. Aber nach deren erfolgten Weichenstellungen bei weitem nicht genug Konsequenz bei der Hilfestellung auf dem gewählten Weg geboten zu haben. 


Es reicht einfach nicht, gute Tipps zu geben und dann darauf zu vertrauen, die Ratschläge würden auch umgesetzt werden. 

Ich hätte mich in viel kürzerer Taktung und mit viel mehr Nachdruck einbringen müssen, um Weg-Abweichungen zu identifizieren und um bei vereinbarten Landmarks auf Richtung, Qualität und Geschwindigkeit zu schauen. 


Ganz kurz formuliert: Ich habe die mir zustehenden NEIN-Optionen nicht genützt, nachdem ich die von mir erwartete JA-Entscheidung zur Zufriedenheit meiner Kids geliefert hatte. 


Nochmals in aller Kürze: Ich habe nicht geführt. 


Zur Klarstellung: Selbstverständlich sind Eltern nicht die Chef*innen ihrer Kinder. Ich halte es aber für einen unerträglichen Zynismus, wenn hyperliberale Eltern ihren 5-jährigen Kids vermeintlichen Freiraum zur Erforschung ihrer Welt lassen, ohne ihnen da und dort auch Leitplanken und Grenzen zu setzen. Sinngemäß gilt das aus meiner Sicht auch bei 10-Jährigen und erst recht bei Pubertierenden, deren Synapsen ohnehin in einem hysterischen Stakkato feuern. 

Führen heißt in diesem Fall Lots*in sein und vor Schaden schützen. 


Bei diesem Punkt werden nun alle Räucherstäbchen-bedufteten Pädagog*innen sehr empört die Nasen in Falten legen, was ihnen selbstverständlich auch zusteht.


Aber die ungezählten schlaflosen Nächte voller Sorgen, Schmerzen und Ängste nehmen mir diese strengen Verfolger unbewiesen erfolgreicher Methoden nicht ab.  


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