Jemand auf LinkedIn philosophiert über den Umstand, dass Sprache Bewusstsein schafft.
Zum Beispiel meint er, dass der Begriff "Führungskraft" zu viel Kraft und zu wenig Beziehungspflege transportiert.
Oder dass Recruiting aus der Militärsprache stammt und das unterschiedslose Rekrutieren von Jahrgängen meint.
(Der LinkedIn-Autor führt aber bedenkenlos den Job-Title CEO/Chief Executive OFFICER) in seinem Profil...)
Oder - Teufelszeug! - noch ein Beispiel: HR.
Human Ressources, da werden Menschen zu Ressourcen!
Selbstverständlich schafft Sprache Bewusstsein. Oder sie schafft eben keines - gut zu beobachten bei der geschichtslosen sprachlichen Müll-Distribution der Faschisten.
Und selbstverständlich sind Menschen keine Ressourcen, sondern wertvolle Beitragsleister*innen beim Erstellen von Ideen und Produkten.
Aber: Von den wirklich vielen Führungskräften,
die ich in den letzten 20 Jahren begleitet habe,
war keine einzige eine schlechte Führungskraft,
weil sie als Führungskraft bezeichnet wurde.
Wenn diese Menschen die an sie gestellten Erwartungen nicht erfüllt haben, dann ausschließlich und immer dann, wenn sie den Zusammenhang zwischen Wertschätzung und Wertschöpfung nicht
verstanden haben. Und - Ergänzung - wenn sie talentbefreit für den Umgang mit Menschen waren. Denn dafür braucht man Talent und keine wie immer ziselierte Dressur.
Wenn diese Grundausstattung in der Realität ankommt, habe ich null Problem damit, diese Leute ausnahmsweise(!) sogar Chef oder Chefin zu nennen. "Leadership means taking people to a place
they have never been before" sagt der wunderbare Warren Bennis und ich stimme ihm von ganzem Herzen zu.
Manchmal amüsiere ich mich über den Räucherstäbchenduft, wenn Konkurrenten oder Mitbewerber sogar "Marktbegleiter" genannt werden. Liebe "Marktbegleiter", ich für meinen Teil möchte ganz
ehrlich von Euch nicht begleitet werden. Ich bin - wenn möglich - gerne allein, da wo ich bin. Und wenn Ihr dann leider immer wieder auch da seid, wo ich
bin, sind wir mindestens Mitbewerber und real Konkurrenten. Denn am Ende kriegt nur eine/r von uns den Auftrag und ich gebe mein Bestes, dass ich das bin. Und wenn das dann Gott sei Dank immer
wieder so ist, dann feiere ich am Liebsten mit meinen Freunden und möchte nicht von meinen Mitbewerbern ins Beisl "begleitet" werden.
Ois zsamm: Ich liebe Sprache.
Und ich kann mich über jede gelungene Formulierung endlos lange freuen.
(Beispiel: Der von mir sehr verehrte - wegen seiner politischen Orientierung und Frauenverachtung heute massiv unkorrekte - Heimito von Doderer mit seiner Wortspende in der
"Strudelhofstiege":
"Er hatte ein langsames Gesicht.")
Zugleich empfinde ich tiefes Unbehagen, wenn mit der Apotheker*innen-Waage Vokabel und Aussagen obduziert werden, während wir zunehmend an den Essenzen der Humanität und der gelebten
Wertschätzung vorbeischrammen. Und das liegt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht an der Sprache, sondern an den hoffnungslosen Einstellungen der Übeltäter*innen.
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Herbert (Mittwoch, 16 Oktober 2024 20:31)
Wobei HR immerhin ein kleiner Fortschritt gegenüber dem 90er Jahre Begriff „Humankapital“ gelten darf