Mein Groß-Onkel Gust (der Onkel meiner Mutter) war ein begnadeter Gstanzel-Sänger und ein unglaublich lustiger Kerl. Ein Naturbursch. Wenn er mich als Buben mitnahm auf eine Wanderung in der Gegend von Hinterstoder, genoss ich es unendlich, wenn er mich um 4 Uhr Früh aufweckte, damit wir uns den Sonnenaufgang anschauen und barfuß durch die taunasse Wiese laufen.
Zu meinem 6. Geburtstag schickte er mir eine Schachtel mit einer Schnur und einem Taschenfeitl drin und einer Mecki-Karte, auf die er schrieb:
"3 Sachen braucht ein Bub: Eine Schnur, ein Taschenfeitl und eine tote Maus. Um die musst Du Dich selber kümmern."
Mein Groß-Onkel Gust war ein Nazi der ersten Stunde. Nach dem gescheiterten Nazi-Putsch 1934 musste er nach München ins Exil. Und nach dem sogenannten "Anschluss" kam er triumphierend zurück und heiratete die Schwester meiner Omi.
Im Krieg war er in der Waffen-SS. Nach dem Krieg war er schwerbelastet in Glasenbach interniert.
Er hat sich nie von seiner schrecklichen Ideologie gelöst. Zu meinem 14. Geburtstag schickte er mir ein Taschenbuch mit dem Titel "Unsere Väter waren keine Verbrecher". Auf der hinteren Umschlagseite stand, dass die 6 Millionen ermordeten Juden eine Lüge seien. Es wären nur 345.000 gewesen.
Ich habe ihm damals das Buch zurückgeschickt und nie wieder ein Wort mit ihm geredet.
An all das musste ich denken, als der noch amtierende 3. Präsident des österreichischen Nationalrats - Norbert Hofer - über den Kandidaten für das Amt des 1. Nationalratspräsidenten - seinen Parteifreund Rosenkranz - meinte: Wer jemals Rosenkranz an der Gitarre singend erlebt hätte, würde einen ganz anderen Menschen kennen.
Rosenkranz findet bis heute nichts dabei, schwer belastete Nazionalsozialisten als "Leistungsträger" zu bezeichnen.
Nach "Ibiza" sagte der auch damals amtierende Bundespräsident Univ. Prof. Dr. Alexander van der Bellen die denkwürdigen Worte: "So sind wir nicht."
Und nun hat er den aktuellen Parteivorsitzenden der Ibiza-Partei nicht mit der Regierungsbildung beauftragt, weil mindestens 30 Prozent der Österreicher*innen doch so sind.
Und 61,7 Prozent der Nationalratsabgeordneten den Herrn Rosenkranz zum 1. Präsidenten des Nationalrats gewählt haben. Da müssen - bei geheimer Wahl - alle braunen und alle schwarzen Abgeordneten dabei gewesen sein und wahrscheinlich auch ein paar versprengte rote.
Die pinken und die grünen würde ich von diesem grauslichen Verdacht freisprechen.
SO sind wir also.
Und man möchte sich nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn das Kräfteverhältnis zwischen schwarz und braun bei der jüngsten Wahl umgekehrt ausgefallen wäre.
Hätte Karl Nehammer sich dann auch entrüstet über die Faschisten-Demo - ausgerechnet am
9. November? Oder wären das wieder ein paar Einzelfälle aus dem rechten Narrensaum gewesen?
Wir wissen es nicht und das ist wahrscheinlich auch besser so.
Im Übrigen ist es eine Affenschande, dass es nach wie vor keine Journalist*innen gibt, die auf die Schönheit der österreichischen Verfassung hinweisen, wo NICHTS steht von der Pflicht, den Erstplatzierten mit der Regierungsbildung zu beauftragen, weil nicht einmal irgendwas davon erwähnt ist, dass der Bundespräsident überhaupt jemanden mit der Regierungsbildung beauftragt. (Siehe meinen letzten Blog.) Das würde auch dem Jus-Studiumsabbrecher Sebastian Kurz das Maul stopfen, der es wagt, von Toleranz für den Andersdenkenden zu delirieren, nachdem er jahrelang auf das Parlament gesch... hat und Verstöße gegen das EU-Recht als "juristische Spitzfindereien" diffamierte.
SO sind wir. SO jemand kriegt 37 Prozent bei Nationalratswahlen und trauert heute noch der schönen Koalition mit den Faschisten nach.
Und im weiteren Übrigen bin ich der Meinung, dass es eine schwarz/rot/pink/grüne Bundesregierung geben sollte, weil man die Grünen nicht mit den Faschisten auf die Oppositionsbank verbannen sollte. Wenn das faschistische Rumpelstilzchen schon im Quadrat springt, dann bitte gleich richtig.
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Leon Rudan (Freitag, 25 Oktober 2024 19:01)
Mir liegt eine Frage auf dem Herzen, welche ich mir zum letzten Absatz stelle. Glaubst du nicht, dass wenn nur die Faschisten in der Opposition sitzen, dass sie nicht ein umso leichteres Spiel haben werden, um noch mehr Wähler von ihren Lügen zu überzeugen, da sie jede Kleinigkeit die in der Regierung falsch läuft so hinstellen, als hätten sie es völlig anders und viel besser gemacht? Da wie man sieht, diese Art von Opposition eine kräftige Wirkung auf das Volk hat.