Gestern und Vorgestern war ich nach langer Zeit wieder einmal in meiner Geburtsstadt Linz und habe mir bewusst ein Hotel ausgesucht, von dem aus ich direkt auf die gegenüberliegende Seite der Donau sehen konnte. Dort, wo ich aufgewachsen bin und bis zu meinem 19. Lebensjahr gewohnt habe.
Apropos "Wohnen": Das Hotel, früher einmal ein recht renommiertes Haus, ist regelrecht abgewohnt.
Die Infrastruktur stammt aus den 80er-Jahren und das vor Jahrzehnten einmal "gutbürgerliche" Restaurant verströmt den Charme einer Bahnhofswartehalle.
Da wird nichts mehr investiert, weil einen Steinwurf entfernt wächst grade ein Riesen-Hochhaus in den Himmel, in dem das kaputte Hotel ein paar Etagen beziehen wird.
Mich hats in den ersten Momenten, als ich das frühere "Tourotel" betrat, trotzdem positiv geflasht.
Erstens musste ich an die vielen Stunden denken, die ich dort an Sonntagen mit meinen Eltern und meinem Bruder im Restaurant verbrachte.
Und an ebenso viele Momente, wo ich meinen geliebten Firmpaten dort traf, der sich immer Zeit und ein Herz nahm, wenn mein Inneres wieder einmal überging vor Trauer, Schmerz und Zorn über den schleichenden Verfall meiner Eltern, deren bester Freund er war.
Und zweitens durchströmt mich die Erinnerung an einen Aufenthalt im selben Hotel vor 7 Jahren, als meine wunderbare Gabi ein Zimmer in der höchsten Etage für uns gebucht hat, weil wir im benachbarten Brucknerhaus ein Konzert des großartigen Herbert Pixner besuchten. Und als ich ihr von da oben meine alte Heimat zeigte und kommentierte, hat sie mich heimlich gefilmt und dieser Film fand Aufnahme in einem Video, das ihr Sohn Max zu meinem 60er produzierte und mir heute noch die Tränen der Rührung in die Augen drückt.
Dann hatte ich einen intensiven Halbtag bei einem potentiellen Kunden und dieser Halbtag hat mich enorm strapaziert. In wenigen Stunden begegnete mir die gesamte für Oberösterreicher so klischeehafte granitene Halsstarrigkeit und provinzielle Selbstgerechtigkeit, vor der ich vor 47 Jahren in gestrecktem Galopp geflüchtet bin.
Ich musste an meine damalige bittere Erkenntnis denken, dass in Linz jeder - wirklich jeder - Trend so nachgemacht und überhöht wird, dass es auf jeden Fall peinlich rüberkommt.
Dabei wurde in Linz die "Ars Electronica" gegründet, die Stahlstadt verwöhnte mit ganz besonderem Stil und Sound, die moderne Kunst holte sich von dort wirklich prägende Impulse. Und irgendwann scheint das wieder ins kleine Karo abgebogen zu sein und in das, was der in Unehren kürzlich aus dem Amt geschiedene Bürgermeister Luger optisch und inhaltlich personifizierte.
Ich weiß nicht, wann dieser Rekurs passierte, ich sehe nur, dass er passierte und das fühlte sich sehr unbehaglich an.
Mir bleibt als markantes Souvenir:
Aufpassen auf den inneren Spießer, auf das alte "Linz" in mir und auf das Symbol des kaputten Tourotel, das durch Schlendrian und Unachtsamkeit auf seine Chance lauert.
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Walter Zinggl (Freitag, 01 November 2024 23:36)
Tja, mein lieber Hannes, schwarz und weiß sind manchmal nur die Vorder-und Rückseite der selben Medaille…. Vielleicht bedingen sie einander ja auch. Das ist kein Fatalismus, aber der Kontrast hilft uns auch, das Licht besser vom Dunkel zu unterscheiden. Handeln müssen wir dann schon selber - darin bist Du ja immer ein Vorbild. Alles Liebe Walter