Spätestens seit der Wahl in den USA drängt sich eine Erkenntnis auf, die sowohl irritierend, als auch potenziell weichenstellend sein kann.
Die ersten Analysen der Exit Polls in den USA zeigen, dass es Trump gelungen ist, noch tiefer in frühere Kernzonen der Demokraten einzudringen, als bei seinem Wahlsieg 2016. Latinos,
Schwarze, Menschen mit unterdurchschnittlichem Einkommen und unterdurchschnittlicher Bildung haben sich in einem Ausmaß für ihn entschieden, das die Bewohner der Demokraten-Komfortzone nicht
vorhergesehen haben.
Der schon zu Bill Clintons Zeit begonnene Wähler*innentausch hat sich dramatisch verfestigt. Die sogenannten Links-Liberalen sind zur Kernschicht der Dems geworden und wie überall auf der
Welt reicht dieser Bodensatz nicht mehr aus, um Wahlen zu gewinnen.
Ohne ein Quäntchen Anmaßung lässt sich für einen Augenblick ein Vergleich zwischen den USA und Österreich ziehen. In beiden Ländern profitieren die weit rechts stehenden Parteien von einer
neuen großen konservativ-reaktionären Wählerschaft: Jenen, die ihre bescheidenen Privilegien gegenüber den nachdrängenden noch deutlicher/prekärer Unterprivilegierten (Migrant*innen) verteidigen
wollen und aus einer tiefsitzenden Opfer-Mentalität nach Rache und Durchsetzung ihrer Forderungen verlangen. Diese Forderungen bestehen ganz vehement in der reaktionären Rückführung zu einem
Zustand, der vom rasanten Change auf allen Ebenen de facto unwiderruflich abgeschafft worden ist.
Hier wie dort gelingt es einer zynischen Clique von Macht-Mechanikern, diesen reaktionären Schichten vorzugaukeln, dass ihre Anliegen bei ihnen besonders gut aufgehoben seien. Dass dieses
erzkonservative Proletariat nur dazu missbraucht wird, die Interessen einer schmalen Schicht jener zu befriedigen, die diese Wasserträger zutiefst verachten, erschließt sich eben diesen
nicht.
An der faktischen Nicht-Existenz eines "romantisch verklärten" sozialdemokratischen Potenzials ist hierzulande schon Andreas Babler fulminant gescheitert. Und Kamala Harris grade eben auch
in den USA.
An den Ergebnissen jenseits des Antlantiks kann man unter anderem auch gut ablesen, dass die Anliegen zum Schutz von Frauenrechten von genau jenen machistischen Latino-Männern
abgeschmettert wurden, die nun ihr Heil bei Trump gesucht haben. Sogar Puerto Ricaner, die im Wahlkampf aufs Übelste beleidigt wurden, haben mit zugehaltener Nase Trump gewählt.
Die neuen Konservativen sind nicht die klassischen Industriellen, Farmer, Millionäre des alten und des neuen Geldes, sondern die von Hillary Clinton so verächtlich bezeichneten
"deplorables", die den "intellektuell/humanistischen Snobismus" der
"Links-Liberalen" zutiefst verachten.
Und denen der woke Kulturkampf so lange ganz mächtig am Arsch vorbeigeht, solange sie im Supermarkt ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen können.
All das erfüllt sämtliche Grundvoraussetzungen für das Entstehen und Verfestigen einer tiefsitzenden faschistischen Substanz, die noch nie ohne Gewalttätigkeit gegen innere und äußere
"Feinde" ausgekommen ist.
Wenn es den "Demokraten" allerorten nicht gelingt, einen praktischen alltagstauglichen Nutzen ihres Menschenbilds für die "neuen Konservativen" glaubwürdig erlebbar zu machen, erscheint es
realistisch, dass wir noch das Ende der Demokratie, wie wir sie kennen, erleben müssen.
Was für eine grausame Ironie gegenüber Francis Fukuyama, der nach dem Zusammenbruch des Kommunismus vom "Ende der Geschichte" schrieb, weil er dachte, dass mit dem Ende der kommunistischen
Diktaturen der Siegeszug der westlich-liberalen Demokratien nicht mehr aufzuhalten wäre...
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Robert Dengscherz (Donnerstag, 07 November 2024)
Solche Typen wie Donald Trump sind die Eisbrecher für den neuen Faschismus. Selbst wenn sie weg sein sollten, die Fahrrinne ist da.