Das Flackern der Fahrradlichter auf dem anthrazitfarbenen Asphalt.
Die kalte Luft, die durch Mund und Nase kommt. Die dampfige Wärme unter der Woll-Haube. Um diese Jahreszeit vor 53 Jahren.
Der boshaft-gedankenlose Schul-Administrator hatte wieder einmal für ein ganzes Schuljahr zwei Turnstunden in die allerletzten zwei erlaubten Schulstunden gesetzt. Und die endeten um 18.30. Duschen gab es keine. Und so zwängten sich 30 pubertierende verschwitzte Jungs ins Gwand, sprinteten im Le Mans-Start zu den Fahrradständern, um nach Hause zu rasen.
Der Bus fuhr nur alle halben Stunden und war natürlich schon weg, wenn man keuchend bei der Bus-Station angekommen war.
Im wöchentlich konsequent falschen Kalkül, man würde die Vorabendserie doch noch erwischen, wenn man mit dem Rad sprintet, hatten alle sich auf die Treter geworfen.
Auch, weil unterwegs das eine oder andere Zuckerlgschäft heimtückisch lauerte. Da waren im Advent diese roten Kugeln in den Auslagen. Und die roten Lametta-Girlanden. Und die Krampusse aus Schokolade oder getrockneten Zwetschken. Immer so verführerisch ausgeleuchtet, dass die Preistaferln im Gegenlicht verschwanden.
Und der hinterhältige Besitzer des Zuckerlgschäfts hatte einem auch noch aufgelauert und zu Fleiß die Sperrstunde überzogen. Irgendwie gut, dass in der Früh ein unbeobachteter Griff in Mutters Geldbörse geglückt war, denn das Ende des Taschengelds war erreicht, das Ende der Woche aber noch lange nicht. Und so gönnte man sich so ein rotes Sackerl mit diesen Schokopastillen, die mit dem bunten Zuckerstreusel bedeckt waren.
Einmal Milchschoko, das nächste Mal Mint.
Einhändig oder freihändig weiter auf dem Rad (je nach Straßenbahn-Schienen-Dichte) und während dessen die Schoki im Eilverfahren genießen, bevor die elterliche Inquisition zuschlägt. Und daheim wieder nur den Abspann der Vorabendserie erwischt.
Kind sein, bevor der erste Flaum sprießt.
Etliche Jahre später sollte rotes Licht ganz anders konnotieren.
Textprobe aus meinem Buch "JA. EH."
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