Pandemie nach rechts.

2023.

Zwischen zwei Operationen an der Lendenwirbelsäule wurde mir ein Physiotherapeut empfohlen, der ganz besonders kunstfertig mit Bandscheiben-Opfern wie mir umgehen würde. 

Ich erhielt recht rasch einen Termin und bewegte mich so gut ich konnte zu seiner Ordination. 

Gleich beim ersten Termin - während der Mann tatsächlich extrem wohltuend meinen lädierten Rücken bearbeitete - eröffnete er mir sein Weltbild, das er zur Gänze aus YouTube-Quellen zusammengeschustert hatte.

Quasi "selbstverständlich" war er Corona-Leugner und Impfgegner in einer fast schon religiösen Ausprägung. Alle während der Pandemie verhängten staatlichen Maßnahmen waren für ihn Instrumente seiner Freiheitsberaubung. Und "natürlich" würde er bei der nächsten Wahl die FPÖ wählen, weil diese Partei die einzige wäre, die seine Interessen verträte.

In großer Sorge um meinen Rücken reagierte ich kurz und knapp: Ich würde in keinem Punkt mit ihm übereinstimmen, machte ihn (wirkungslos) darauf aufmerksam, dass er mit der FPÖ astreine Faschisten wählen würde und setzte einen Schlusspunkt, indem ich bat, über Themen dieser Art nicht mehr reden zu müssen. 

Tatsächlich verliefen die weiteren 9 Therapiestunden entsprechend ihrer ursprünglichen Widmung.

Aber seither wusste ich - und hab es hier auch schon geschrieben - dass die Nationalratswahl eine Corona-Wahl werden würde. 

Nun gerät das Land in die Hände völlig ausgerasteter Schwurbler, denen Blut & Boden, Nationalismus & Europafeindlichkeit, Wissenschaftsfeindlichkeit & Verschwörungs-Wahnsinn, Lug & Trug tief in der eigenen DNA stecken. Und die angeblich "konservative" Werte-Partei ÖVP verscherbelt für die Excel-Sheets der Industrie die fundamentalen Essenzen der liberalen Demokratie. 

Hans Rauscher hat kürzlich im "Standard" (jenem "Scheissblatt", das der Wiener FPÖ-Obmann in 5 Jahren umgebracht haben will) erzählt, dass er den damaligen mit den Braunen koalierenden Bundeskanzler Schüssel aufklären musste, wer denn die Herren im Stresemann gewesen waren, die man 1933 auf einem Foto mit Adolf Hitler abgebildet hatte. 

Es ist genau diese erbärmliche Geschichtslosigkeit, die in der ÖVP dazu führt, die gesamte Aufmerksamkeit auf die Verklärung des Austro-Faschisten Dollfuß zu lenken und mit ungerührter Schmerzlosigkeit die liberale Demokratie auf dem Scheiterhaufen industrieller Profite zu verbrennen.

(Dieser Abgrund bürgerlichen Unwissens wurde durch den Studienabbrecher Sebastian Kurz bis in die jüngste Zeit aktualisiert, als er ohne jede Scham von einer "Achse Berlin - Wien - Rom" schwafelte. Wenn ich sowas meinen deutschen Freunden erzähle, krümmen sich die vor Fremdscham.) 

Es sieht - erneut - so aus, dass die Konservativen keinen wie immer gearteten Animo besitzen, dem Land seine Würde zu erhalten. Helmut Qualtinger und Thomas Bernhard rotieren in ihren Gräbern.  

Wahrscheinlich würden die Faschisten ihnen auch das verbieten, wenn sie könnten. Denn grade hat das einschlägig übel beleumundete Bundesland Kärnten in einer Volksbefragung den weiteren Ausbau der Windkraft abgelehnt. Nichts darf sich mehr drehen.

Hauptsache, Putins Rohstoffe dürfen wieder fließen und das bisschen Gegenleistung, das der Moskauer Faschist für seine Spenden haben will, wäre wieder einmal erbracht. 

All das - die westlich-liberalen Grundwerte, für die Millionen gekämpft und gelitten haben und gestorben sind - wird nun von den Tischkanten der Verhandlungstische gestoßen, an denen sich die skrupellosesten Hütchenspieler ihre dreckigen Vorteile rausschinden. 

Und die Schmalspurakademiker der YouTube-University feiern ihre billigen Orgasmen, bevor sie - wieder einmal zu spät - erkennen werden, dass sie das symbolische oder vielleicht sogar reale Kanonenfutter der Plutokraten geworden sind.