Aus gegebenem Anlass.

Wie oft ich diese Floskel schon gehört oder gelesen habe, kann ich gar nicht sagen:

"Aus gegebenem Anlass." 

Diese Leerformel ist so wie jene Killerwörter, die eine Aussage schwächen und vom Wesentlichen ablenken: Eigentlich, im Grunde genommen, am Ende des Tages...

Nun müssen Leute wie ich sogar den Plural ertragen: "Aus gegebenen Anlässen..."

Was für Anlässe? 

In Österreich scheitern die Regierungsverhandlungen nicht-faschistischer Parteien, weil - neben einer Reihe anderer moralisch/intellektueller Unterkomplexitäten - die Bereitschaft und die Fähigkeit zum Kompromiss einfach aus dem Verhandlungsrepertoire gelöscht wurden.

In Deutschland wird beinahe ein Gesetz, das eh schon per se ein Fehlgriff in die braune Lade ist, zum ersten Mal nach Verabschiedung des Grundgesetzes mit Nutzung faschistischer Stimmen beschlossen.   

Brandmauern, Dämme, antifaschistischer Konsens?

Alles Nonsens. 

Weil schon wieder konservativen Kräften die populistischen Nerven flattern und sie in den rechten Abgrund kippen.

Vor allem aber: Weil zum wiederholten Anlass die Kraft des Kompromisses nicht mehr genützt wird.

Zur Erinnerung: Ein Kompromiss ist NICHT 

"Tausche Außenminister gegen Milchpreis".

Das ist ein Kuhhandel oder - vornehmer ausgedrückt - ein Junktim.

Ein Kompromiss ist ein Aufeinander-Zugehen innerhalb des gleichen Themas nach dem Motto "Give to gain". Ich gebe etwas, damit ich viel gewinnen kann. 

Ja. Das ist anstrengend. Das verlangt Sprünge über den eigenen Schatten. Den eigenen! 

Das verlangt ein Abrücken von der (eigenen) Ideal-Linie. Das verlangt einen gemeinsamen Referenzrahmen, den man großspurig auch als liberale Demokratie bezeichnen könnte.

Das ist insbesondere nach vielen Jahren oder Jahrzehnten demotivierender Kuhhändel nervig und frustrierend. Das verlangt Sprache und Sprechen anstelle von Klopfzeichen von Gefängniszelle zu Gefängniszelle, die schon reserviert werden als Endstation von Fahndungslisten in den Fascho-Computern. 

So war es vorgesehen, damals in den rauchenden Trümmern, die von den mentalen und physischen Vorfahren jener Leute, die heute mit Schaum vor dem Mund geifern, verursacht worden waren. 

Und auf den Gräbern und Denkmälern ihrer Opfer lügen sich und uns die Kompromiss-Unfähigen von heute erneut ins Verderben.